Kündigung der Geschäftsbeziehung gegenüber genossenschaftlichen Mitglieder, die Ihre Zustimmung zu neuen Regelungen in AGB, PLV und Sonderbedingungen verweigern

Zum Sachverhalt: 

Der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren ist Kunde und genossenschaftliches Mitglied der Antragsgegnerin (Kreditinstitut). Das Kreditinstitut hatte sämtliche Kunden auf Grund des Grundsatzurteils des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021 zum Az. XI ZR 26/20 (AGB-Änderungsmechanismus) um die Zustimmung zu geänderten AGB, PLV und Sonderbedingungen gebeten. Der Kunde verweigerte die Zustimmung zu diesen Änderungen. Das Kreditinstitut kündigte daraufhin gegenüber dem Kunden nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken die gesamte Geschäftsbeziehung bestehend aus einem Girokonto, drei Depotkonten und einem Avalkredit ordentlich. 

Der Kunde stellte beim Landgericht Flensburg den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und Fortsetzung der Vertragsverhältnisse. Dabei stütze er sich auf das Argument, dass die Kündigung unwirksam sei, weil sich aus § 2 Nr. 1 der Satzung der Beklagten ergebe, dass der Zweck der Genossenschaft in der wirtschaftlichen Förderung und Betreuung der Mitglieder liege und jedes Mitglied nach § 11 der Satzung das Recht habe (…), die Leistungen der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen und an der Gestaltung der Genossenschaft mitwirken zu können. Deshalb sei die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB unwirksam.

Die Entscheidung des Landgerichts Flensburg

Das Landgericht ließ sich von diesen Argumenten des Kunden nicht überzeugen, sondern folgte den Argumenten der von der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertretenen Volksbank und wies die einstweilige Verfügung zurück. Das Gericht führt aus, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung gemäß Nr. 19 Abs. 1 der AGB nach der herrschenden Meinung zwar gewissen Schranken unterliege, die sich aus § 242 BGB ergeben können, wie z. B. dem Verbot der Kündigung zur Unzeit und des Rechtsmissbrauchs. Bei der Bewertung komme es jedoch auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des einzelnen Falles und einer Abwägung der Interessen beider Vertragsteile an. Eine solche Abwägung ergebe, dass das Rationalisierungsinteresse des Kreditinstituts gegenüber dem Interesse des Kunden an einer bestimmten Klauselgestaltung andererseits überwiege. Beim Zahlungsverkehr, der insbesondere über die Girokonten durch Banken und Sparkassen abgewickelt werde, handele es sich um ein Massengeschäft. Der Rationalisierungseffekt, für den die AGB sorgen, sei dabei unerlässlich. Kreditinstitute müssten imstande sein, ihre im öffentlichen Interesse liegende zentrale Aufgabe im Wirtschafts- und Finanzsystem wahrzunehmen. Ihnen sei es nicht zuzumuten, die Vertragsverhältnisse mit ihren Kunden mit untereinander abweichenden Vertragsbedingungen fortzusetzen. Die aus einer fehlenden Zustimmung der Kunden zur Anpassung der Vertragsbedingungen folgende Uneinheitlichkeit der Vertragsverhältnisse würde den mit den AGB verbundenen Rationalisierungseffekt vollständig aufheben, sodass Banken und Sparkassen darauf verwiesen wären, für jeden einzelnen ihrer Kunden recherchieren zu müssen, welche unter Umständen mehrere Jahrzehnte alte Fassung ihrer Bedingungswerke anwendbar ist. 

Eine Beschränkung des Kündigungsrechts der Kunden ergebt sich auch nicht aus seiner genossenschaftlichen Mitgliedschaft. Eine Entscheidung des OLG Celle sei auf den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil durch die verweigerte Zustimmung zu dem geänderten Preis- und Leistungsverzeichnis ein sachlicher Grund vorliege, der eine abweichende Behandlung des nicht zustimmenden Genossen im Vergleich zu denjenigen rechtfertige, die ihre Zustimmung erteilt haben. Der Kläger könne sich daher nicht auf § 242 BGB i.V.m. §§ 2 Nr. 1, 11 der Satzung berufen, dass er einen Anspruch auf die Leistungen der Genossenschaft habe.

Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen, weil Kreditinstitut sich mit der Ausübung der Kündigung von Kunden trennen können, die mit einer gewissen Renitenz den geänderten AGB, insbesondere neuen Preisen, nicht zustimmen wollen. Die Wirksamkeit der Kündigung ist auch nur fair gegenüber den Kunden, die die Zustimmung zu den Änderungen erteilt haben. Wäre das Landgericht der Rechtsauffassung des Kunden gefolgt, wäre die Privatautonomie in den einzelnen Vertragswerken zu Lasten der Kreditinstitute deutlich aufgehoben und Banken wären in den alten Regelungen und hinsichtlich der alten Preise gefangen gewesen.

Für rechtliche Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen insbesondere folgende Ansprechpartner zur Verfügung:

RA Dr. Tim Jungmichel (Hannover)
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